Die zwei Formen von Energie


Im Luftkampf können wir zwei Formen von Energie nutzen: Bewegungsenergie (kinetische Energie) und Lageenergie (potentielle Energie).



Kinetische Energie

Die kinetische Energie wurde im vorigen Kapitel bereits skizziert. Jeder, der schon einmal im vollen Lauf vor ein unverhofftes Hindernis geprallt ist, hat eine Ahnung von ihrer Leistungsfähigkeit.

Sie berechnet sich nach der Formel
Ekin = 1/2 * m * v2
mit "m" für die Flugzeugmasse und "v" für die Eigengeschwindigkeit des Flugzeuges. Da sich nur die Geschwindigkeit bemerkenswert ändern kann, behalten wir als Daumenregel im Kopf:
Mehr Geschwindigkeit ist mehr Energie.

Allerdings mit dem Abstrich, dass wir nur „echte“ Geschwindigkeit für diese Daumenregel gelten lassen. Das bedeutet, dass unsere Geschwindigkeit vom Motor stammen soll und nicht aus einem Sturzflug.

Ebenfalls aus dem vorigen Kapitel sind die Grenzen der kinetischen Energie beim Fliegen ersichtlich:
Die obere Grenze erreichen wir entweder im Geradeausflug mit der Maximalgeschwindigkeit, oder im Sturzflug durch die strukturelle Belastungsgrenze.
Nach unten ist die kinetische Energie für uns mit der Abrissgeschwindigkeit begrenzt. Unterhalb dieser können wir nicht fliegen, da wir durch einen Strömungsabriss die Kontrolle verlieren würden.

Alles in allem liefert die kinetische Energie also einen eher knapp bemessenen Spielraum.



Potentielle Energie

Wesentlich spannender ist die potentielle Energie.

Sie berechnet sich nach der Formel
Epot = 𝑚 ⋅ 𝑔 ⋅ ℎ
mit „m“ für die Flugzeugmasse, „g“ für die Erdanziehungskraft und „h“ für die Flughöhe.
Man sieht deutlich, dass sich nur die Höhe bemerkenswert ändern kann, deshalb die Daumenregel:
Mehr Höhe ist mehr Energie.

Die Grenze ist hier nach unten natürlich mit dem Boden gesetzt. Nach oben könnten wir sie mit der Dienstgipfelhöhe festlegen. Allerdings werden wir schon ein ganzes Stück vor der Dienstgipfelhöhe so langsam, dass das Flugzeug wie eine reife Pflaume in der Luft hängt. Es ist zwar sehr schwer an ein so hoch fliegendes Flugzeug heranzukommen, aber hat man das erst einmal geschafft ist es ziemlich wehrlos. Deshalb sollten wir im Normalfall nur so hoch steigen, dass wir nicht unter die sogenannte Manövergeschwindigkeit kommen.

Als Manövriergeschwindigkeit wird die Eigengeschwindigkeit des Flugzeugs bezeichnet, bei der man schnelle Ausweichbewegungen ausführen kann. Sie zu unterschreiten bedeutet, sich selbst auf den Präsentierteller zu setzen – man hängt als leichtes Ziel in der Luft.
Die Manövriergeschwindigkeit ist vom Flugzeugtyp abhängig, für die Bf 109 liegt sie etwa bei 300 km/h angezeigter Eigengeschwindigkeit.

Um Höhe aufzubauen, ist ein Steigflug nötig. Natürlich ist es wünschenswert, so schnell zu steigen wie möglich, damit wir so schnell wie möglich so viel Energie wie möglich aufbauen. Um schnell zu steigen, muss man einen steilen Steigwinkel einnehmen; der sorgt für langsame Eigengeschwindigkeit. Wie oben ausgeführt, kann der Motor aber nur bei ausreichender Geschwindigkeit permanent gekühlt werden. Im Steigflug ist man meist unterhalb dieser Geschwindigkeit – deshalb kann man nur kurze Zeit mit maximaler Leistung steigen und je steiler man steigt, desto kürzer ist diese Zeit.
Deshalb ist es wichtig, den besten Kompromiss zwischen hoher Steigrate und lang verfügbarer Motorleistung zu finden.
Für die Bf 109 liegt dieser Kompromiss bei 250 bis 320 km/h.
Ein zweiter Aspekt ist wiederum die Manövriergeschwindigkeit. Diese sollte auch im Steigflug nur geringfügig unterschritten werden.



Noch ein Wort zur Flugzeugmasse

Diese ändert sich nicht wesentlich, aber ständig – durch das Verbrennen von Kraftstoff und dem Verschießen von Munition. Das mag in einem Luftkampf von 2 Minuten Dauer keine Rolle spielen, aber es spielt eine Rolle, ob wir mit vollem, oder zu zwei Dritteln geleertem Tank in einen Kampf gehen. Unsere Steigleistung und Masseträgheit verändert sich um einen spürbaren Faktor zu unseren Gunsten. Auf der anderen Seite haben wir aber wesentlich weniger Zeit für den Luftkampf. Und das kann uns den Sieg und sogar das Flugzeug kosten, wenn wir mangels Treibstoff fliehen müssen – und womöglich abgeschossen werden - oder mit leeren Tanks notlanden müssen.