Messerschmitt Bf 110

Einleitung

Mitte der 30er Jahre rückte die Gattung der zweisitzigen Kampfflugzeuge, welche bereits im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt hatte, wieder ins Blickfeld der Luftwaffenplaner. Anfang des Jahres 1934 beschäftigte sich der Führungsstab der Luftwaffe in Berlin mit der Konzeption neuer Luftkriegsmittel und suchte nach Taktiken in der offensiven Luftkriegsführung. Statt die Bomber mit einer eigenen starken Abwehrbewaffnung zu versehen, wurde ein zweimotoriger Mehrsitzer vorgeschlagen, der mit wirkungsvollen Kanonen und Maschinengewehren im Bug sowie mit Lafetten zur Abdeckung des hinteren Bereichs ausgerüstet werden sollte. Das Konzept sah vor, dass diese schwer bewaffneten Langstreckenjäger in enger Formation vor den Bombern fliegen und eine Schneise in die gegnerische Abwehr schlagen sollten. Obwohl die Ingenieure im Reichsluftfahrtministerium (RLM) befürchteten, dass dieser "Kampfzerstörer" zu schwer und unbeweglich werden würde und auch die Taktik im Generalstab vielfach als nicht besonders realistisch angesehen wurde, begeisterte sich Hermann Göring, der Reichsminister der Luftfahrt, für diese Idee. Erhard Milch brachte daraufhin eine entsprechende Ausschreibung ins Rollen. Im Flugzeugbeschaffungsprogramm vom 1. November 1935 war von jeweils drei Prototypen und fünf Nullserienflugzeugen der Typen Bf 110, Fw 57 und Hs 124 die Rede. Nach einer frühen 1:1 Attrappe startete das erste Musterflugzeug der zukünftigen Bf 110, angetrieben von zwei Junkers Jumo 210 mit Zweiblattpropellern, am 12. Mai 1936. Diese Bf 110 V1 mit der Werknummer 868 (D-AHOA) war der erste und die Bf 110 V2 (WerkNr. 869, D-AQYE) war der zweite Prototyp. Am 24. Dezember 1936 wurde die mit DB 600 Motoren ausgerüstete Bf 110 V3 (WerkNr. 870, D-ATII) von Dr. Hermann Wurster eingeflogen. Nachdem die Weiterentwicklung der Henschel He 124 nach den drei Prototypen eingestellt wurde und die Focke-Wulf Fw 57 wegen ihrer schlechten Flugeigenschaften nicht überzeugen konnte, war der Weg frei für die Messerschmitt Bf 110. Mit schätzungsweise 6.050 gefertigten Maschinen sollte die Bf 110 bis zum Ende des Krieges einen festen Platz in der Luftwaffe einnehmen.

Messerschmitt Bf 110 A

Bereits im Juli 1936 hatten die Bayerischen Flugzeugwerke einen Vorbescheid für den Bau der Nullserie Bf 110 A-0 erhalten. Da entschieden wurde, dass die Vergasermotoren DB 600A aufgrund technischer Probleme durch neue Direkteinspritzer ersetzt werden sollten, es bei Daimler-Benz jedoch zu Lieferschwierigkeiten der noch nicht serienreifen DB 601 Motoren kam, fanden in den Vorserienmaschinen zunächst 680 PS starke Junkers Jumo 210Da Verwendung. Alle Maschinen der A-Serie erhielten Versuchsnummern und ihre Rumpfspitzen wurden überarbeitet. Lediglich sieben Bf 110 A-0 wurden gebaut. Ihre fliegerische Beurteilung durch Luftwaffenpiloten war alles andere als befriedigend. Nur mit Mühe kam das Flugzeug auf 400 km/h - damit war es für die ihm zugedachte Aufgabe natürlich noch viel zu langsam.

Messerschmitt Bf 110 B

Da in der Triebwerksversorgung noch immer keine Besserung in Sicht war, griff man bei der Messerschmitt Bf 110 B-0 wie bereits bei der Bf 110 A auf einen Junkers-Motor zurück. Die zusätzlichen Vorserienflugzeuge wurden von zwei Jumo 210Ga angetrieben, die in 1.000 m Höhe bereits je 730 PS leisteten. Zudem erhielt die Bf 110 B-0 zwei 20 mm-Bordmaschinenkanonen MG FF und vier MG 17 Maschinengewehre vom Kaliber 7,92 mm, während die A-Serie noch ohne Bewaffnung getestet wurde. Am 19. April 1938 flog die erste der drei gebauten Bf 110 B-0. Schon wenige Monate später wurden die ersten Bf 110 B-1 ausgeliefert, deren Bewaffnung gleichfalls aus zwei MG FF und vier MG 17 in der Flugzeugnase bestand. Ein einzelnes 7,92-mm-Maschinengewehr befand sich im hinteren Cockpitbereich. Einige Flugzeuge der B-Serie wurden mit Bordkameras ausgestattet. Sie erhielten die Bezeichnung Bf 110 B-2 und wurden später zu Schulflugzeugen Bf 110 B-3 umgebaut. Die etwa 84 durch die Messerschmitt AG und den Lizenznehmer Gotha gebauten und mit Jumo-Motoren ausgerüsteten Flugzeuge der B-Serie wurden im Allgemeinen jedoch nur als Übergangslösung bis zur Verfügbarkeit der mit DB 601 Motoren ausgerüsteten Bf 110 C Serie betrachtet.

Messerschmitt Bf 110 C

Nachdem die Fertigungszahlen des Daimler-Benz DB 601A Direkteinspritzer-Motors gegen Ende des Jahres 1938 anstiegen, sollte auch die Messerschmitt Bf 110 mit diesen 1.175 PS starken Triebwerken ausgerüstet werden. Nachdem der neue Motor für den Einsatz freigegeben worden war, wurde die Bf 110 B in der Produktion von der Bf 110 C abgelöst. Anfang Januar 1939 wurde eine kleine Vorserie von 10 Jägern Bf 110 C-0 geliefert. Noch vor Monatsende rollten die ersten Maschinen der endgültigen Serienausführung des schweren Jagdflugzeugs, die so genannten Zerstörer, in der Serie Bf 110 C-1 aus den Endmontagehallen. Angetrieben wurden diese Maschinen der C-1 von zwei DB 601A Motoren mit Dreiblatt-Metall-Luftschrauben des Typs VDM 9-11081A. Zusätzlich wurden einige Änderungen an der Zelle vorgenommen. So wurden die Tragflächenenden eckiger ausgeführt, die Spannweite dadurch um ca. 60 cm verringert, und die Kühler nun flach unter den Flügeln angebracht. Die Flugleistungen steigen im Vergleich zur B-Serie beachtlich, allerdings verringerte sich durch den erhöhten Treibstoffverbrauch auch die Reichweite auf etwa 800 km. Die Bewaffnung bestand wie bei der B-Serie aus zwei 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF mit je 180 Schuss im unteren Flugzeugrumpf sowie vier 7,92-mm-Maschinengewehren MG 17 mit je 1.000 Schuss im oberen Teil des Flugzeugbugs. Der Heckschütze bediente ein bewegliches 7,92-mm-Maschinengewehr MG 15 mit 750 Schuss (10 Magazine zu je 75 Schuss). Bis Ende August 1939 wurden 70 Messerschmitt Bf 110 C-1 gebaut und ausgeliefert. Zusammen mit den Flugzeugen der B-Serie verfügte die Luftwaffe am Vorabend des Zweiten Weltkrieges über insgesamt 95 Bf 110, darunter 27 Bf 110 B und 68 Bf 110 C. Diese Maschinen wurden von der I./LG 1 sowie dem Zerstörergeschwader 1, das im Mai 1939 aufgestellt worden war, und dem Zerstörergeschwader 76 geflogen. Während des Polenfeldzuges war die Bf 110 gegenüber dem wesentlich wendigeren, wenn auch langsameren polnischen Jagdflugzeug PZL P. 11 erfolgreich und nicht zuletzt erwarb sie sich durch den Abschuss von neun angreifenden britischen Wellington Bombern am 18. Dezember 1939 einen beachtlichen Ruf als Zerstörer. Doch auch nach anfänglichen Erfolgen wurde die Bf 110 C im weiteren Verlauf des Krieges technisch ständig weiterentwickelt. So begann im November 1939 die Produktion der Bf 110 C-2, welche sich jedoch gegenüber der Bf 110 C-1 nur durch die Funkausrüstung unterschied. Die Bf 110 C-3 wurde mit verbesserten 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M ausgestattet, worauf die Serie Bf 110 C-4 folgte, bei der ein Panzerschutz für den Piloten und seinen Bordschützen eingeführt worden war. Hatte man die letztgenannte Maschine zusätzlich mit Bombenaufhängungen und DB 601N Motoren ausgestattet, wurde sie zu einer Bf 110 C-4/B. Parallel dazu fertigte man bei Gotha im Sommer 1940 den Aufklärer Bf 110 C-5 mit DB 601A-1 Motor. In der Bf 110 C-5/N kamen hingegen DB 601N zum Einsatz. Beide Aufklärerversionen verzichteten auf die Bordmaschinenkanonen. Stattdessen wurde zwischen den Besatzungsmitgliedern ein Reihenbildgerät Rb 50/30 installiert. Die Bf 110 C-6 wurde als Bomber-Zerstörer entwickelt. Hierzu wurden in zwölf Bf 110 die zwei 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M durch eine einzelne Bordmaschinenkanone MK 101 vom Kaliber 30 mm ersetzt. Den Abschluss der Baureihe C bildete der Jagdbomber Bf 110 C-7 mit DB 601N Motoren. Dieses Flugzeug verfügte über ein verstärktes Fahrwerk, um das zusätzliche Gewicht von zwei ETC-500 Trägern sowie zwei 500-kg-Bomben (SC-500 bzw. SD-500) tragen zu können.

Messerschmitt Bf 110 D

Aufgrund der Forderung, mit der Bf 110 Ziele in ganz England erreichen zu können, führte man bei Messerschmitt Planungen für eine Reichweitenerhöhung des schweren Jagdflugzeugs durch. Den Grundstein hierzu legten mehrere Bf 110 C-3, die mit Unterrumpftanks umgerüstet wurden. Die D-Version wurde ab März 1940 zeitweise parallel zur C-Serie gefertigt. Die ersten Bf 110 D-0, insgesamt 13 Maschinen, wurden im Sommer 1940 von der Erprobungsstelle Rechlin getestet und anschließend dem Zerstörergeschwader 1 übergeben. Besonders auffällig bei diesem Langstreckenzerstörer war der unter dem Rumpf befestigte Zusatztank ("Dackelbauch") mit einem Fassungsvermögen von 1.050 Litern. Um die erhöhte Startmasse zu bewältigen, wurden die Reifen verstärkt und ein robusteres Spornrad mit großem Reifen eingebaut. Bei der Jagdbomberversion, der Bf 110 D-0/B, verzichtete man zugunsten von Bombenaufhängungen auf den großen Unterrumpftank und ersetzte diesen durch zwei abwerfbare Unterflügeltanks. Die entsprechenden Serienversionen, welche im Sommer 1940 bei Focke-Wulf gebaut wurden, hießen dann Bf 110 D-1/R1 (Zusatztank unter dem Rumpf) bzw. Bf 110 D-1/R2 (Unterflügeltanks). Die Messerschmitt Bf 110 D-2 war im Wesentlichen eine D-1/R2. Sie unterschied sich nur durch die Bombenaufhängungen von ihrem Vorgänger. Eine zusätzliche Tropenausrüstung hatte man hingegen für die Bf 110 D-2 Trop vorgesehen und die Maschine durch Sandabscheider vor den Lufteinlässen der Motoren, durch vergrößerte Kühler, Gardinen und zusätzliche Rettungsausrüstung für Einsätze im Mittelmeerraum vorbereitet. Als Bf 110 D-3 wurden Maschinen bezeichnet, denen die Rolle als Schiffsbegleiter zugedacht wurde. In ihrem verlängerten Rumpfheck beherbergten diese Maschinen ein Schlauchboot für eventuelle Notlandungen auf dem Wasser. Allerdings konnte an Modellen der D-3 Serie der große Unterrumpftank nicht mehr befestigt werden. Den Abschluss der Baureihe D bildete ein Aufklärer mit Zusatztanks, die Messerschmitt Bf 110 D-4. Mitte September 1940 waren bei der Luftwaffe 151 Bf 110 B und C sowie 103 Bf 110 D vorhanden, die sowohl als Zerstörer, wie auch als Jagdbomber, Aufklärer oder Nachtjäger zum Einsatz kamen.

Messerschmitt Bf 110 E

Bei der Vorserienversion Bf 110 E-0 und den anfänglichen Ausführungen der E-1 wurden noch die DB 601A Motoren beibehalten. Bald danach wurden jedoch die DB 601N Motoren mit höherer Verdichtung, die ebenfalls in der Messerschmitt Bf 109 E-7/N eingebaut waren, in der Bf 110 E-1 zum Standard. Diese Motoren trieben automatische, elektrisch verstellbare Dreiblatt-Metall-Luftschrauben vom Typ VDM 9-11081-C mit konstanter Drehzahl an. Gleichzeitig wurden weitere Verbesserungen vorgenommen, wie ein erweitertes Warmwasser-Heizsystem, eine vergrößerte Sauerstoffanlage, ein verstärkter Panzerschutz und ein verbessertes Spornrad mit Flatterbremse. Darüber hinaus erhielt das Maschinengewehr MG 15 des Heckschützen eine neue Lafette, mit der die Abwehrwaffe zukünftig auch bei geschlossener Haube geschwenkt werden konnte. Weiterhin war die Bf 110 E-1 mit vier Bombenträgern ETC-50 unter den Außenflügeln ausgerüstet. Falls keine 50 kg-Bomben (SC-50 bzw. SD-50) an den Flügeln angehängt wurden, konnten ersatzweise zwei abwerfbare 300 l-Kraftstoffbehälter zur Reichweitensteigerung genutzt werden. Lies man die kleinen Bombenträger unter den Flügeln ganz weg, konnte die Bf 110 E mit zwei ETC-1000 Bombenträgern unter dem Rumpf ausgestattet werden. Diese Version trug die Bezeichnung Bf 110 E-1/R1 und war in der Lage, zwei 1.000 kg-Bomben (SC-1000 bzw. SD-1000) zu tragen. Anschließend entstanden der Nachtjäger Bf 110 E-1/U1 und die Bf 110 E-1/U2 für drei Mann Besatzung. Die Messerschmitt Bf 110 E-2 verfügte über ein Schlauchboot im Heck und der Fernaufklärer Bf 110 E-3 war ähnlich wie die Messerschmitt Bf 110 C-5 ausgerüstet. Zusätzlich konnte die E-3 jedoch mit zwei 7,92 mm-Maschinengewehren des Typs MG 17 bewaffnet werden. Diese waren im Rumpfheck starr nach hinten eingebaut, wobei der Pilot über ein Periskopvisier auf potentielle Verfolger zielen konnte.

Messerschmitt Bf 110 F

Im Februar 1942 übernahm die Luftwaffe die ersten vier Zerstörer der F-Serie. Die Bf 110 F war eine Variante mit zwei je 1.350 PS starken DB 601F Motoren und Dreiblatt-Metallluftschrauben vom Typ VDM 9-12078 A/B. An ihrer Zelle gab es nur geringfügige Änderungen, abgesehen von strömungsgünstigen Änderungen an den Triebwerksverkleidungen und Propellerhauben. Die Bf 110 F trug praktisch die gleiche Bewaffnung, Treibstoffzuladung, Technik und Ausrüstung wie die Bf 110 E. Bereits ab der ersten Version, der Bf 110 F-1, wurde jedoch der Panzerschutz der Besatzung verstärkt. Als Jagdbomber wurde die F-1 mit größeren Panzerplatten vor und hinter dem Pilotensitz, 35 mm starken Seitenscheiben und einer schusssicheren Panzerglasscheibe über dem Kopf des Heckschützen versehen. Bei der Baureihe Bf 110 F-2 verzichtete man unter Beibehaltung des verstärkten Panzerschutzes auf sämtliche Bombenaufhängungen. Dieser Zerstörer wurde überwiegend zur Bekämpfung viermotoriger Bomber genutzt. Die Messerschmitt Bf 110 F-3 war ein Fernaufklärer, der ab Mitte 1942 in das laufende Produktionsprogramm der Miag (Mühlenbau und Industrie AG) in Braunschweig aufgenommen wurde. Von der Gothaer Waggonfabrik AG gelangten schließlich die ersten reinen Nachtjäger, die Bf 110 F-4, zu den Nachtjagdverbänden der Luftwaffe. Diese Baureihe wurde neben den üblichen vier 7,92-mm-Maschinengewehren MG 17 und den beiden 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M zusätzlich mit zwei weiteren 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG 151/20 mit jeweils 200 Schuss in einer externen Verkleidung unter dem Rumpf ausgeliefert. Ab Frühjahr 1942 wurden diese Flugzeuge in den Luftwaffenwerften zunehmend mit dem ersten Funkmessgerät für Nachtjäger nachgerüstet. Das FuG 202 Lichtenstein B/C von Telefunken, dessen Erprobung inzwischen erfolgreich verlaufen war, sollte das erste Bordradar der Luftwaffe werden. Da das neue Funkmessgerät bedient werden musste, verfügte die Bf 110 F-4 für die Nachtjagd über eine dreiköpfige Besatzung. Bei der Bf 110 F-4/U1 war die externe Waffenwanne mit den beiden zusätzlichen 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG 151/20 durch ein Paar nach oben feuernder 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M - die so genannte "Schräge Musik" - ersetzt worden. Anstelle der beiden nach vorn feuernden 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M hatte die Bf 110 F-4A zwei Bordmaschinenkanonen des Typs MG 151/20 im gleichen Kaliber und trug ebenfalls das FuG 202 Bordradar.

Messerschmitt Bf 110 G

Parallel zu den Baureihen Bf 110 E und Bf 110 F arbeitete man bei Messerschmitt schon seit Sommer 1941 an der Entwicklung einer weiteren Zerstörer-Version, der Serie Bf 110 G. Die ersten Bf 110 G-0 Vorserien-Modelle wurden bei Gotha produziert und zwischen Juli und Dezember 1942 in Augsburg und Rechlin erprobt. Für den Antrieb sorgten zwei DB 605B Motoren mit einer Leistung von jeweils 1.475 PS, die eine Weiterentwicklung des DB 601E mit größerem Hubraum, größerem Lader und höherer Drehzahl darstellten. Der DB 605B entsprach dem DB 605A-1, hatte aber eine andere Übersetzung. Jeder Motor trieb eine elektrisch verstellbare Luftschraube des Typs VDM 9-12078 A/B an. Äußerlich entsprach die Bf 110 G der vorausgegangenen F-Reihe, hatte aber eine Anzahl von unauffälligen Verbesserungen. So wurde das Staurohr für den Fahrtenmesser an die Vorderkante der Flügelspitze verlegt, die Struktur der Kabine wegen des Einbaus der dicken Panzerglasfrontscheibe etwas modifiziert und strömungsgünstiger gestaltet, der Beobachter erhielt einen seitlichen Einstieg und zusätzlich wurden die Flettnerruder zur Flugzeugtrimmung am Leitwerk vergrößert, um beim Ausfall eines Triebwerkes dem stärkeren Drehmoment des DB 605B entgegen zu wirken. Die Bewaffnung der Bf 110 G-0 bestand aus vier 7,92-mm-Maschinengewehren MG 17 mit je 1.000 Schuss und zwei 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M mit je 180 Schuss in der Bugspitze. Die Rückwärtsbewaffnung bestand aus einem schwenkbaren 7,92-mm-Maschinengewehr MG 15 mit 75 Schuss je Magazintrommel (750 Schuss insgesamt). Obwohl die Flugerprobung der Vorserien-Flugzeuge nur unwesentliche Leistungssteigerungen gegenüber der Baureihe F festgestellt hatte, wurde die Bf 110 G ab Ende 1942 in Serie gefertigt. Die erste der geplanten Baureihen, die Bf 110 G-1, hätte bis auf die stärkeren Motoren nahezu der Bf 110 F-1 entsprochen und wurde wegen der als Jagdbomber zu erwartenden mittelmäßigen Leistungen nicht realisiert. Das erste Serienmodell war die als Zerstörer oder schwerer Jagdbomber einsetzbare Bf 110 G-2. Bei dieser Version tauschte man die beiden 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M mit je 180 Schuss gegen zwei 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG 151/20 mit 400 Schuss für die linke und 350 Schuss für die rechte Kanone. Die neue Waffe des Heckschützen war ein 7,92-mm-Zwillingsmaschinengewehr MG 81 Z der Firma Mauser mit 400 Schuss pro Rohr und einer theoretischen Feuergeschwindigkeit von 1.500-1.600 Schuss pro Minute und Rohr. Für ihren Verwendungszweck als Jagdbomber konnte die Maschine je zwei 50-kg-Bomben (SC-50 bzw. SD-50) unter den Außenflügeln auf den vier ETC-50/VIIId-Bombenträgern und zwei 500-kg-Bomben (SC-500 bzw. SD-500) auf zwei ETC-500/IXb-Bombenträgern unter dem Flugzeugrumpf mitführen. Die vier ETC-50-Bombenaufhängungen unter den Flügeln waren auch gegen zwei abwerfbare 300-Liter-Zusatztanks austauschbar. Maschinen in dieser Ausstattung wurden als Bf 110 G-2/R7 bezeichnet. Wurden die Bombenhalterungen unter dem Rumpf gegen eine Waffenwanne mit zwei zusätzlichen nach vorn feuernden 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG 151/20 ausgetauscht, nannte man die Maschinen Bf 110 G-2/M1. In der Version Bf 110 G-2/R1 wurde die externe Wanne gegen eine einzelne 37-mm-Kanone Flak 18 mit 72 Schuss ausgewechselt, die ebenfalls unter dem Rumpf montiert wurde. Wurden die vier 7,92 mm-Maschinengewehre MG 17 der oberen Bugnase ausgebaut und gegen zwei 30-mm-Bordmaschinenkanonen MK 108 ersetzt, sprach man von der Bf 110 G-2/R3. Bei der Verwendung beider Rüstsätze entstand die Bf 110 G-2/R5. Als Bf 110 G-2/R2 wurde ein schwerer Jäger bezeichnet, der bezüglich Ausrüstung, Zelle und Bewaffnung der R1 glich. Allerdings entfiel ein Teil der Panzerung und statt der Heckbewaffnung kam zur Leistungssteigerung ein GM-1 Behälter mit 440 kg Inhalt zum Einbau. Im Sommer 1943 waren bereits einige Bf 110 G-2/U7 mit GM-1-Anlage ausgeliefert worden. Die Bf 110 G-2 konnte eine Vielzahl von Ausrüstungsvarianten tragen. Dazu gehörten auch WGr 42 Raketenstartrohre unter den Flügeln. Je nach Einsatzaufgabe konnten diverse Rüstsätze auch kombiniert werden. Eine Maschine mit abwerfbaren Zusatztanks unter den Flügeln und Halterungen für zwei Bomben unter dem Rumpf bezeichnete man beispielsweise als Bf 110 G-2/R7M2, ein Flugzeug mit eingebauten 30-mm-Bordmaschinenkanonen MK 108 (anstelle der vier-7,92 mm-Maschinengewehre) plus Unterrumpfwanne mit zwei zusätzlichen 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG 151/20 wurde Bf 110 G-2/R3M1 genannt. Parallelentwicklungen zur G-2 waren der Langstrecken-Aufklärer G-3 und der Nachtjäger G-4. Beim Aufklärer Bf 110 G-3 bestand die nach vorn feuernde Bewaffnung in der Regel nur aus den 7,92-mm-Maschinengewehren. Lediglich die Bf 110 G-3/R3 besaß anstelle der vier Maschinengewehre zwei 30-mm-Bordmaschinenkanonen MK 108. Die nach hinten feuernden Maschinengewehre MG 81 Z im B-Stand wurden durch eine starre 20-mm-Bordmaschinenkanone MG 151/20 mit 350 Schuss ergänzt. Die Fotoausrüstung der G-3 bestand aus den Reihenbildgeräten RB 70/30 und RB 50/30. Die Bf 110 G-4 war als Nachtjäger von Anfang an für den Einbau von Radaranlagen vorgesehen. Vergrößerte Trimmklappen erhöhten die Stabilität im Flug, die durch Radarantennen und deren Luftwiderstand deutlich gelitten hatte. Von der G-4 wurden im Laufe der Zeit diverse Unterversionen entwickelt. Bei der ersten Bf 110 G-4 wurde das Abfangjagdradar nur in Form eines Umrüst-Bausatzes eingebaut und die Maschinen hatte noch die nach vorn feuernde Grundbewaffnung. Die Produktion der Bf 110 G-4 lief ab Anfang 1943 bei der Gothaer Waggonfabrik AG sowie bei den Luther-Werken in Braunschweig an. Als ab Herbst 1943 das vereinfachte FuG 212 Lichtenstein C-1 mit einer Reichweite von 4.000 m und einem Erfassungsbereich von 70° horizontal und vertikal serienmäßig ab Werk eingebaut wurde, bekam die Standard-Nachtjägerversion die Bezeichnung Bf 110 G-4a. Nach der Einführung des FuG 220b Lichtenstein SN-2 mit größerem Erfassungsbereich von 120° horizontal und 100° vertikal wurde daraus die Bf 110 G-4b. Nachdem das ältere FuG 212 Lichtenstein C-1 ausgemustert worden war und nur noch FuG 220b Lichtenstein SN-2 eingebaut wurden, nannte man die Standardnachjäger Bf 110 G-4c. Die Fertigung lief mit der Bf 110 G-4d aus, die sich von der G-4c nur durch ihre widerstandsärmeren Antennen unterschied. Die vorher verwendeten Horizontal- und Vertikalstreben entfielen, wodurch aber kaum Geschwindigkeitsvorteile erzielt wurden. Neben den Bf 110 G-4 Grundversionen unterschied man die Flugzeuge nach den üblichen Ausrüstungsvarianten. Die Bf 110 G-4/U5 besaß beispielsweise das FuG 212 Lichtenstein C-1, die Bf 110 G-4/U6 hingegen das FuG 221a Rosendaal-Halbe. Im Gegensatz zum aktiven Lichtenstein arbeitete das von Siemens entwickelte Gerät passiv und erfasste die Abstrahlung gegnerischer Funkmessgeräte oder Störsender auf bis zu 100 km Entfernung. Bei der Bf 110 G-4/U7 handelte es sich hingegen um einen Nachtjäger, der mit einem 440 kg fassenden GM-1 Tank anstelle von Panzerung und Bewaffnung im B-Stand ausgerüstet war. Die GM-1 Zusatzeinspritzung diente zur Leistungssteigerung der Flugmotoren oberhalb der Volldruckhöhe und konnte zur Abkürzung der Steigzeit auf große Höhen oder zur Erhöhung der Fluggeschwindigkeit zugeschaltet werden. Der GM-1 Stoff war ein verflüssigtes Gas (Glykol-Methanol-Gemisch) mit einer Temperatur von etwa -90° C, das wie verflüssigter Sauerstoff behandelt werden musste und mittels Pressluft aus dem isolierten Behälter unter einem Druck von etwa 4,5 kg/cm² durch ebenfalls isolierte Leitungen zu der Verneblerdüse am Laderschacht gedrückt, zerstäubt und mit der Ladeluft den Zylindern zugeführt wurde. Dank der Zusatzeinspritzung konnte nahezu 45 Minuten mit einer erhöhten Motorleistung geflogen werden. Die Bf 110 G-4/U8 erhielt zur Reichweitensteigerung anstelle des B-Standes einen zusätzlichen Treibstofftank von 540 l und 35 l mehr Schmierstoff. Bei dem Umbau auf Version Bf 110 G-4/U9 wurden statt der üblichen vier 7,92-mm-Maschinengewehre zwei 30-mm-Bordmaschinenkanonen MK 108 mit je 135 Schuss in die Rumpfnase eingebaut. Eine weitere Abwandlung stellte die Bf 110 G-4/R2 dar. Bei dieser Ausführung, die über keine GM-1 Einspritzung verfügte, konnten weitere 600 l Kraftstoff in zwei externen Unterflügelabwurftanks mitgeführt werden. Der G-4/R2 Nachtjäger, der ebenfalls mit einer Bugbewaffnung von je zwei 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG 151/20 und zwei 30-mm-Bordmaschinenkanonen MK 108 ausgerüstet war, konnte außerdem mit zwei zusätzlichen MG 151/20 in einer Waffenwanne unter dem Rumpf ausgestattet werden. Nachdem Probleme mit dem Hülsenauswurf und häufig auftretende Beschädigungen der Radarantennen gelöst waren, ging das Muster Bf 110 G-4/U9 ab Dezember 1943 mit der Bezeichnung Bf 110 G-4/R3 in Serie. Die Baureihe der Bf 110 G-4/R6 sollte der Bf 110 G-4/R2 gleichen, jedoch über eine zusätzliche GM-1 Anlage verfügen. Produziert wurde die Bf 110 G-4/R6 allerdings nicht. Es folgte die Bf 110 G-4/R7, die Serienausführung der Umbauvariante Bf 110 G-4/U8, mit einem zusätzlichen Rumpfbehälter hinter der Kabine. Im Spätsommer 1944 erschien die Bf 110 G-4/R8, bei der im hinteren Teil des Cockpits zwei schräg nach oben feuernde 20-mm-Bordmaschinenkanonen MG FF/M (als "Schräge Musik" bezeichnet) mit je 120 Schuss eingebaut wurden. Als nächste Version war die Bf 110 G-4/R9 als Abwandlung der Bf 110 G-4/R3 vorgesehen. Neben der Bugbewaffnung der G-4/R3 sollten zusätzlich zwei 30-mm-Bordmaschinenkanonen MK 108 als "Schräge Musik" eingebaut werden. Zur Auslieferung dieser Version kam es wohl nicht mehr. Obwohl das Flugzeugwerk in Gotha Ende 1943 noch die neue Baureihe Messerschmitt Bf 110 H vorschlug und am 28. Dezember 1943 eine umfassende Entwicklungsbesprechung stattfand, welche die Produktion der H-Serie zum Inhalt hatte, war die Bf 110 G die letzte Ausführung. Bis zur Einstellung der Produktion im Februar 1945 wurden etwa 1.850 Maschinen der Bf 110 G Serie fertiggestellt.

Messerschmitt Bf 110 H

Bei der Bf 110 H hätte es sich um eine Abwandlung der Messerschmitt Bf 110 G Serie gehandelt. Unter anderem ausgerüstet mit leistungsfähigeren DB 605E Motoren, einem verstärkten und verlängerten Flugzeugrumpf, neuer Kabinenverglasung, größeren Flügeln, verstärktem Fahrwerk und teilweise noch stärkerer Bewaffnung sollte die Bf 110 H eine ganze Reihe von Verbesserungen erfahren. Im Rahmen der "Big Week" wurde am 24. Februar 1944 jedoch die Entwicklungsabteilung der Gothaer Waggonfabrik AG bei einem Luftangriff der 8. US-Air-Force so schwer getroffen, dass durch die eingetretenen Schäden und deren langwierige Aufarbeitung von mindestens sechs Monaten nicht mit einer baldigen Serienfertigung der Bf 110 H zu rechnen war. Als Folge sollten zukünftig alle weiteren Planungstätigkeiten an der Bf 110 H-1, Bf 110 H-2 (Starrbewaffnung bestehend aus zwei Maschinenkanonen MK 108 und zwei Maschinenkanonen MK 103), Bf 110 H-3, Bf 110 H-4 (Nachtjäger mit Frontbewaffnung wie G-4 jedoch zusätzlich mit "Schräger Musik" bestehend aus einer Maschinenkanone MK 108 bzw. zwei Maschinenkanonen MG 151/20) sowie Bf 110 H-5 (schwerer Tagjäger mit zusätzlichem Treibstofftank anstelle des Heckschützen) entfallen und sich auf den Nachtjäger Bf 110 H-6 beschränken. Ein Musterflugzeug wurde noch aus einer Bf 110 G-4 umgerüstet (verstärkte Zelle, zusätzlicher Kraftstoffbehälter im Rumpf, größere Sauerstoffanlage für drei Besatzungsmitglieder, MW-50-Anlage), bevor das Technische Amt im Sommer 1944 alle weiteren Änderungen wie die neue Kabinenverkleidung, zusätzlichen seitlichen Panzerscheiben, die Panzerschürze auf der Rumpfspitze zum Schutz des Piloten und der vorderen Waffen, größeren Flächen und das verstärkte Seitenleitwerk strich. Im November 1944 wurde die weitere Entwicklung der Bf 110 H endgültig untersagt. Nach einer Verfügung des Reichsluftfahrtministeriums lief nach dem Aufbrauchen aller noch vorrätigen Baugruppen und Einzelteile im März 1945 auch die Produktion der Bf 110 G Serie aus. Die Gesamtzahl aller gefertigter Bf 110 Versionen betrug schätzungsweise 6.050 Maschinen.