Heinkel He 111
Bei Heinkel entstand 1935 nach dem großen Erfolg mit dem Flugzeug He 70 "Blitz" das zweimotorige Verkehrsflugzeug He 111 C, deutlich erkennbar an dem charakteristischen, elliptischen Flügelumriss. Von welcher Seite man die He 111 auch betrachtet, man muss zugeben, dass den Brüdern Siegfried und Walter Günter mit ihr ein klassischer Wurf geglückt war. Sie vereinigte bei ihrem Debüt nicht nur alle damals bekannten aerodynamischen Feinheiten in sich, sondern ließ sich auch noch außerordentlich gut fliegen. Die He 111 wurde zu dem deutschen Horizontal-Kampfflugzeug. Sie entwickelte sich neben und nächst dem 1939 aufgetretenem schweren Sturzkampfflugzeug Junkers JU 88 zu dem bekanntesten zweimotorigen Kampfflugzeug, das Deutschland bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges besaß. Unter strengster Geheimhaltung wurde 1936 in Staaken eine Aufklärungsgruppe zusammengestellt, die unter der Führung von Oberstleutnant Rowehl Langstrecken-Aufklärungsflüge, getarnt als Strecken-Versuchsflüge für den Zivilluftverkehr, über England, Frankreich und der Sowjetunion bis zum Ural durchführte. Damit begann für die als Verkehrsflugzeug ausgelegte He 111 eine vollkommen neue Aufgabenstellung. Über die weitere Entwicklung der He 111 zum Kampfflugzeug berichtete Ernst Heinkel selbst: "Niemand hatte meinem Schnellverkehrsflugzeug an der Wiege gesungen, was nun in der Folgezeit geschah.". Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges waren von den deutschen Kampffliegerverbänden achtzehn, d. h. zwei Drittel, mit Heinkels He 111-Flugzeugen ausgerüstet. Und die He 111 behauptete ihren Platz als mittelschwerer Horizontalbomber bis zum Jahre 1945. Werner Baumbach, wohl der erfolgreichste Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg, sagte über die Bedeutung der He 111 als Kampfflugzeug: "Mit der He 111 starteten wir am Morgen des 1. September 1939 gegen polnische Ziele, und mit ihr flogen wir im April 1945 die letzten ferngelenkten Bomben gegen die Oderbrücken der Russen.". Die He 111 trug die Hauptlast der Horizontalbombenangriffe in Polen, in Frankreich, in der Hauptphase der Luftschlacht gegen England und später im Osten. Ihr Leistungsvermögen war derart, dass sie fast allen damals in Dienst gestellten Jagdflugzeugen der Welt die Fersen zeigen konnte. Später blieb sie, weil es auf deutscher Seite als Folge der verschiedensten Umstände nicht gelang, ein Flugzeug in die Großserie zu bringen, das die He 111 ersetzen konnte. Gemessen an den Verhältnissen der mittdreißiger Jahre gehörte dieses Flugzeug der Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke zu den herausragendsten Entwürfen für Kampfflugzeuge. Die ersten He 111 K, die 1936/37 für die Luftwaffe aus den Bauhallen kamen, hatten ein Fluggewicht von 8.000 kg, waren mit den damals neuen Daimler-Benz DB 600-Motoren von rund 900 PS ausgerüstet, erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 400 km/h, trugen eine Bombenlast von 1.000 kg und konnten in feindliches Gebiet mit voller Bombenlast 500 bis 600 km tief eindringen. Das Steigvermögen war für damalige Begriffe gut und zur Zeit ihrer Einführung in die Verbände der Luftwaffe, gemessen an den Leistungen des zeitgenössischen englischen Wellington Bombers, der eine fast identische Zuladekapazität aufwies, überragend. Die Dienstgipfelhöhe der He 111 lag um wenigstens 1.500 Meter über der des britischen Bombers. Die Heinkel gehorchte den Steuerdrücken ausgezeichnet. Sie war um alle drei Flugachsen sehr stabil. Alle Steuerflächen waren mit Trimmflächen ausgestattet, die vom Flugzeugführer eingestellt werden konnten. An jedem Querruder gab es zwei Trimmflächen, die eine für Trimmzwecke, die diente als automatische Servosteuerung. Deutsche Flugzeugkonstrukteure waren offenbar alle gemeinsam von dem Gedanken besessen, ihre Flugzeugführer in Gewächshäusern unterzubringen – eine Neigung, die auch Probleme schuf, und im Falle der He 111 hatte der Flugzeugführer so viel gewölbtes Glas vor sich, dass die Sicht nach vorne schon beinahe einem Blick durch einen Glastunnel vergleichbar war. Bei schlechtem Wetter war diese Überfrachtung mit Glas jedoch gefährlich. Der Flugzeugführer saß in der He 111 links. Um ihm eine möglichst günstige Sicht nach vorne zu gewähren, war die Halterung für das Bugmaschinengewehr vom Typ MG 15 (7,92 mm) nach rechts versetzt worden, was der Kanzel, von vorne gesehen, ihr typisch asymmetrisches Aussehen verschaffte. Die Steuerorgane waren ziemlich konventionell ausgelegt. Mittels eines Armes, an welches das Steuerhorn montiert war, konnte dieses nach rechts umgelegt werden, so dass ein anderes Besatzungsmitglied Höhen- und Querruder bedienen konnte. Dagegen konnten vom rechten Sitz weder die Leistungshebel noch die Seitenruderpedale bedient werden. Höhen- und Seitenrudertrimmung befanden sich wie auch die Kühlspreizklappenverstellung hingegen rechts vom Flugzeugführersitz, somit also auch in Reichweite des Beobachters. Leistungshebel, Höhenladersteuerung sowie die Hebel für die Luftschraubenverstellung waren alle linker Hand vom Flugzeugführer angeordnet und konnten nur von diesem betätigt werden. Im Normalfall bestand die Besatzung aus vier Mann. Diese Anzahl war ausgelegt auf die Tätigkeit im Zielgebiet. Der Flugzeugführer saß, wie schon gesagt, links in der Kanzel, rechts neben ihm der Kampfbeobachter. Dieser nahm während des Zielanfluges eine liegende Stellung in der Flugzeugnase ein, um das Bombenzielgerät oder, im Falle eines Jägerangriffes von vorne, das MG zu bedienen. Er war außerdem ausreichend als Rudergänger geschult, um das Flugzeug bei Ausfall des Flugzeugführers mit Hilfe der Kurssteuerung über die eigenen Linien zu bringen. Konnte der Flugzeugführer auf Grund von Verletzungen nicht selbst das Landemanöver fliegen, war die Besatzung angewiesen, über eigenem Gebiet mit dem Fallschirm abzuspringen. Der hintere Teil des Flugzeuges war mit der Kanzel durch einen schmalen Laufsteg verbunden, der zwischen den Aufhängevorrichtungen für die internen Bomben hindurchführte. Die Bomben waren senkrecht in zwei Reihen beiderseits des Steges aufgehängt. In der Rumpfmitte befanden sich vier MG 15, Kal. 7,92 mm. Die MG-Stände auf dem Rumpfrücken und in der Bodenlafette waren bald nach Kriegsbeginn durch zwei weitere seitlich im Rumpf eingebaute verstärkt worden. Diese zusätzliche Bewaffnung machte ein weiteres Besatzungsmitglied notwendig. Die zunehmenden Kämpfe machten immer stärkere Kaliber für die Abwehrbewaffnung erforderlich, und einige He 111 wurden deswegen zusätzlich mit einem fernbedienten MG 17, Kal. 7,92mm, ausgestattet, welches aus dem Heck nach hinten feuerte. Andere Flugzeuge dieses Typs wurden wiederum mit einer Art Granatwerferrohr ausgerüstet, aus dem Geschosse in Richtung verfolgender Jäger abgefeuert wurden. Bis 1939 waren rund 800 He 111 für die Luftwaffe gebaut, im Jahre 1939 entstanden 452, 1940 deren 756, 1941 deren 950, 1942 deren 1337, 1943 deren 1405 und 1944 deren 756. Sie wurden für die Kampffliegerverbände zuverlässige, erprobte, leicht zu wartende Arbeitsbienen. Wenn sie zumindest von 1941 an technisch überholt und vor allen Dingen wegen ihrer begrenzten Reichweite für die Fronten im Westen und im Mittelmeer nicht mehr ausreichend waren und auch durch den wiederholten Umbau und den Einbau immer stärkerer Motoren (für die Weiterentwicklung der He 111 wurden bis 1944 nahezu 4 Millionen Arbeitsstunden in den Konstruktionsbüros aufgewandt) nicht die erforderliche Reichweite gewinnen konnten – es gab tatsächlich keinen Ersatz für sie. Obwohl später zweimal von den Serienbauprogrammen abgesetzt, musste immer wieder auf sie zurückgegriffen werden, weil neue Typen, die an ihre Stelle treten sollten, nicht in Serie kamen. Die letzten 1944/45 ausgelieferten He 111 P hatten ein Fluggewicht von 16.000 kg, waren mit Junkers Jumo 213 E-Motoren von 1.750 PS ausgerüstet, erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von annähernd 500 km/h, eine Gipfelhöhe von 10.000 Metern und trugen 2.000 kg Bombenlast über ebenfalls 500 bis 600 km Entfernung. Möchte man zu einer fairen Beurteilung der He 111 gelangen, dann muss man sie mit den zeitgenössischen Flugzeugen derselben Kategorie von Mitte bis Ende der dreißiger Jahre vergleichen. Bei solch einem Vergleich steht sie an der Spitze der mittleren Bomber jener Zeit bezüglich ihres Leistungsvermögens sowie ihrer großen Verwendungsbreite.